Der Computer ist in unser Alltagsleben eingedrungen und hat auch vor der Mumienforschung nicht haltgemacht. Er hift den Forschern nicht nur bei der zerstörungsfreien Untersuchung von Mumien, sondern ermöglicht sogar die Erstellung einer “virtuellen Mumie”, die die Besucher der Ausstellung Das Geheimnis der Mumien – Ewiges Leben am Nil, aber auch Sie (mit eingeschränkter Funktionalität) am Bildschirm auswickeln können. Es handelt sich um eine 2300 Jahre alte Mumie einer Frau im Alter von ca. 30 Jahren.
So funktioniert das Verfahren.
Hier können Sie in den Kopf der Mumie schauen.
Hier können Sie den Kopf der Mumie am Bildschirm enthüllen.
Freilich stellt das Auswickeln per Computer nicht mehr das geheimnisvolle und spannende Erlebnis einer realen Auswicklung dar. Nach heutigem Verständnis wäre eine solche, die Würde der Verstorbenen missachtende Prozedur sowieso nicht mehr akzeptabel. Dieses Problem tritt bei der virtuellen Mumie nicht auf.
Das Verfahren stammt eigentlich aus der medizinischen Forschung. Ziel ist es dabei, ein möglichst realistisches Bild des Körperinneren aus tomographischen Aufnahmen zu bekommen, um die Diagnostik, die chirurgische Planung und die Ausbildung von Medizinstudierenden zu verbessern.
Seit mehr als zwölf Jahren beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Karl Heinz Höhne mit der Erforschung von Verfahren für die 3D-Rekonstruktion der Anatomie des lebenden menschlichen Körpers. Die Verfahren sind inzwischen soweit gediehen, dass man computerbasierte Körpermodelle (“virtuelle Körper”) erzeugen kann, die man am Bildschirm wie ein Anatom oder eine Chirurgin untersuchen und ihre anatomischen Bestandteile abfragen kann. Mit dem VOXEL-MAN genannten Programm lassen sich auch Operationen simulieren und vorausplanen oder 3D-Anatomieatlanten erstellen. Am Institut für Mathematik und Datenverarbeitung in der Medizin (IMDM) wurde auf diesen Gebieten Pionierarbeit geleistet. Zum Beispiel wurde hier 1987 erstmalig das Gehirn eines lebenden Menschen dreidimensional rekonstruiert. Inzwischen liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung von medizinischen Trainingssimulatoren.
Dem Computer ist es natürlich gleich, ob es sich bei dem rekonstruierten Objekt um einen Patienten oder eine Mumie handelt. Es liegt daher nahe, letztere auf die gleiche Weise zu untersuchen. Die Bildqualität ist meist sogar besser, weil man ohne Risiko hohe Strahlendosen anwenden kann und die Mumie geduldig stillhält.
Die Anwendung auf Mumien wurde in Zusammenarbeit mit PD Dr. Renate Germer vom Arbeitsbereich Ägyptologie der Universität Hamburg entwickelt. Die Arbeiten wurden im Jahre 1989 begonnen und erstmals 1991 im Rahmen der Ausstellung Mumie + Computer im Kestner-Museum Hannover gezeigt. Die Webseiten wurden 1997 veröffentlicht.
PS. Siehe auch Körper und geflügelter Skarabäus von anderen altägyptischen Mumien.
Literatur
- Karl Heinz Höhne: Die Virtuelle Mumie: Auswickeln einer Mumie per Mausklick. In Renate Germer: Das Geheimnis der Mumien: Ewiges Leben am Nil, Prestel, München, 1997, 118-120 (ISBN 978-3-7913-1782-3).
- Andreas Pommert: Dreidimensionale Darstellung altägyptischer Mumien aus computertomographischen Bildfolgen. In Rosemarie Drenkhahn, Renate Germer (Hrsg.): Mumie und Computer—Ein multidisziplinäres Forschungsprojekt in Hannover, Kestner-Museum, Hannover, 1991, 19-20 (ISBN 978-3-924029-17-3).
- COOL IMAGES: Mummy unwrapped. Science 285 (5427), 1999, 491.
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